Automatisiertes Fahren – wie weit kann Technik den Fahrer ersetzen?
Automatisiertes Fahren kann wesentlich zur Verbesserung der Sicherheit und Leichtigkeit des Straßenverkehrs beitragen, einen Beitrag zum Umweltschutz leisten und den Fahrkomfort erhöhen.
Daher ist seine technologische Entwicklung aktiv voranzutreiben und wissenschaftlich zu begleiten. Bei Bedarf ist der Rechtsrahmen anzupassen. Dabei gilt es, die Gesellschaft in diesen Prozess einzubinden.
Im Rahmen der kürzlich durchgeführten Jahreshauptversammlung der Landesverkehrswacht Hessen konnte der aus Braunfels stammende Präsident der Organisation, Klaus Ruppelt, Dr. Thomas Almeroth, Geschäftsführer des Verbandes der internationalen Kraftfahrzeughersteller, begrüßen und ihn um den Vortrag seines Referats bitten, bei dem es sich um einen der Schwerpunkte der Tagung handelte, das mit der thematisierten Fragestellung eingeleitet wurde
„Automatisiertes Fahren – Wie weit kann Technik den Fahrer ersetzen?“. Zunächst gab der Referent einen Ausblick über die Entwicklungen in dem Bereich der Fahrzeugtechnologie. Automobilindustrie, Zulieferer und Forschungseinrichtungen arbeiten seit geraumer Zeit an der Entwicklung von (Fahrerassistenz) Systemen, die automatisiertes Fahren in verschiedenen Ausformungsgraden ermöglichen.
Dabei merkte der Referent kritisch an, dass man bei Verfolgung von Presseberichten und Stammtischparolen den Eindruck gewinnen könnte, dass die Ablösung des Fahrers durch autonome Systeme kurz bevor stehe. Er sagte, dass es irrig sei, davon ausgehen zu können, von einem Taxi ohne Fahrer abgeholt zu werden, um zu einem Theaterbesuch gefahren zu werden, oder dass man auf Dienstfahrten im Fond sitzend Zeitung lesen könne. An derartige Szenarien denken in den kommenden 10 – 15 Jahren weder die Automobilindustrie noch gebe es die dafür rechtlichen Grundvoraussetzungen der zuständigen Ministerien.
Technisch gehe Vieles, in der Praxis gehe Vieles nicht, noch nicht. Auf lange Sicht angelegte Forschungen oder Praxisversuche auf abgesperrten und besonders präparierten Teststrecken sind etwas ganz anderes als die Verwendung führerloser, also autonomer Fahrzeuge in einem derart sensiblen Umfeld wie dem Straßenverkehr, zumindest wenn man an die Straßenverkehrssituation in weiten Teilen Europas denkt. Deshalb sei ganz klar: Autonom fahrende Fahrzeuge, die den Fahrer ersetzen können, sind zurzeit nicht ernsthaft im Gespräch.
Schon lange kennen wir Fahrerassistenzsysteme, die über eine mehr oder weniger umfangreiche Ausstattung mit Fahrerassistenzsystemen verfügen. Während wir vor einigen Jahren noch über ABS und ESP und vielleicht über die erste Generation von Tempomaten gesprochen haben, sind bei modernen Autos ab der gehobenen Mittelklasse heute Abstandsregeltempomaten, Spurverlassenswarner oder gar Spurhalteassistenten, Notbremsassistenten oder die Verkehrszeichenerkennung fast schon Standard.
Die entscheidende Frage ist, wie werden sich im Lauf der nächsten Jahre die Fahrerassistenzsysteme fortentwickeln.
Aber das alles hat mittelfristig nichts mit einem autonomen, im Sinne von führerlosem Fahren im Fahrzeug zu tun. Zentraler Punkt ist die Frage, wann, ob und vor allem unter welchen technischen und rechtlichen Rahmenbedingungen die Stufe von der Teilautomatisierung zur Hochautomatisierung überschritten wird. Dabei ist zwischen der Begrifflichkeit hochautomatisiert, Vollautomatisierung oder gar autonomes Fahren zu differenzieren. Bei der Teilautomatisierung bleibt der Fahrer in vollem Umfang in der Verantwortung, bei der Hochautomatisierung gibt er die Verantwortung teilweise oder zeitweise an das System ab.
Der erste und einer der schwierigsten Problemkomplexe steht mit dem sogenannten Wiener Übereinkommen über den Straßenverkehr im Zusammenhang, gelegentlich auch unpräzise als Wiener Weltabkommen bezeichnet. Dabei handelt es sich um einen völkerrechtlichen Vertrag aus dem Jahr 1968, der jetzt gerade überarbeitet wird. Unterzeichnet wurde dieser Vertrag von sehr vielen Staaten dieser Welt, auch von Deutschland, den meisten europäischen, aber auch asiatischen Staaten, nicht aber beispielsweise von den USA. In diesem Vertrag haben sich die Teilnehmerstaaten verpflichtet, bestimmte Regelungen, die den Straßenverkehr betreffen, in einigermaßen einheitlicher Art und Weise in ihre nationalen Gesetze zu integrieren, wobei dies in Deutschland in das Straßenverkehrsgesetz, die Straßenverkehrsordnung beziehungsweise die Straßenverkehrszulassungsordnung geschehen ist. Eine zentrale Vorschrift in diesem Vertrag ist, dass der Führer eines Fahrzeugs (oder auch Fuhrwerks) jederzeit sein Fahrzeug beherrschen können muss.
Bei dem weiteren Rechtsbereich, über den im Zusammenhang mit dem automatisierten Fahren kontrovers diskutiert wird, handelt es sich um das Straf- und Ordnungswidrigkeitenrecht. Jemand, der eine Ordnungswidrigkeit im Straßenverkehr begeht, etwa die Geschwindigkeit überschreitet, wird mit einem Bußgeld belegt.
Wer einen anderen Verkehrsteilnehmer fahrlässig oder vorsätzlich verletzt oder auch nur in besonders grober Weise gegen bestimmte Vorschriften verstößt und dadurch andere erheblich gefährdet, wird sogar strafrechtlich verfolgt. Aber wer wandert ins Gefängnis, wenn ein Unfall passiert ist, weil vielleicht doch einmal der Autopilot ein Verkehrsschild nicht richtig erkannt hat und aufgrund einer Verkettung unglücklicher Umstände doch plötzlich ein Verkehrsteilnehmer verletzt wird?
Das System geht sicherlich nicht ins Gefängnis und der Autohersteller im Normalfall auch nicht, es sei denn, er hätte gröblich die Sorgfaltspflichten bei der Entwicklung der Systeme verletzt. Auf das automatisierte Autofahren bezogen bedeutet dies, dass man demjenigen einen Vorwurf machen kann, der habe feststellen können, dass sein System häufig zu schnell fährt, häufig Verkehrsschilder nicht erkennt oder sonst ungewöhnlich oder vorschriftswidrig reagiert. Kein Vorwurf ist dagegen demjenigen Fahrzeugführer zu machen, der sich eines funktionierenden Systems vorschriftsmäßig bedient und keinen Anlass hat, an dessen Funktionsfähigkeit zu zweifeln.
Bei der zivilrechtlichen Verantwortung sieht es anders aus. Und das ist der dritte Themenkomplex, über den intensiv diskutiert wird. Zivilrechtlich gesehen geht es um die Frage, wann wer für die Folgen eines Schadenfalles haften also Schadensersatz zahlen muss. Im Zivilrecht gibt es nicht nur die sogenannte Verschuldenshaftung, die dann eingreift, wenn jemand die im Verkehr erforderliche Sorgfalt außer Acht gelassen hat, sondern gerade im Verkehrsrecht tritt neben die Verschuldenshaftung die sogenannte Gefährdungshaftung. Danach kann in der Regel ein bestimmter Personenkreis auch dann für einen Schaden verantwortlich gemacht werden, selbst wenn er nicht schuldhaft gehandelt hat.
Schwerer wiegt wiederum der vierte rechtliche Problemkreis, nämlich das Datenschutzrecht. Schon heute wird zumindest vorübergehend eine Vielzahl von Daten im Fahrzeug gespeichert, je nach Marke und Modell in unterschiedlichem Umfang. Teilweise geht es um rein technische Daten, die zwar für das Funktionieren des Fahrzeugs wichtig sonst aber von geringem Interesse sind. Teilweise geht es aber auch um Daten, die personenbeziehbar sind, wenn man aufgrund anderer Umstände ermitteln kann, wer zu welchem Zeitpunkt das Fahrzeug geführt hat.
Die fortschreitende Automatisierung bietet erhebliches Potenzial für die Verbesserung der Verkehrssicherheit, wenn man bedenkt, dass nachweislich mehr als 95 % der Verkehrsunfälle auf menschliches Versagen zurückzuführen sind. Die Verkehrsteilnehmer sollten das in der zunehmenden Automatisierung liegende Potenzial nutzen.
Der Referent schloss seinen Vortrag mit den Worten:
Es sei höchst bedauerlich, wenn alle irgendwann mit Karl Valentin sagen müssten:
„Wollen hätt‘ ich schon mögen, aber dürfen hab‘ ich mich nicht getraut“.
v.li.nach re. Dr. Thomas Almeroth, Geschäftsführer des Verbandes der internationalen Kraftfahrzeughersteller
und Klaus Ruppelt, Präsident der Landesverkehrswacht Hessen e.V.